Die Stadt Posen: Ein polnisches Juwel
Also gut, ich gebe zu, dass ich noch nie was von Posen gehört hatte, bevor uns die Stadt Posen in einer Email zu einem Besuch einlud.
Überhaupt hatte es mich vorher noch nie nach Polen verschlagen, aber nachdem ich ein bisschen recherchiert hatte, schien es ein Fleckchen Erde zu sein, dass uns ziemlich wahrscheinlich gefallen würde. Der einzige Nachteil war, dass unsere Reise im November stattfinden würde, der nun nicht wirklich als schönster Monat des Jahres verschrien ist.
Man kann ja aber auch im November Glück mit dem Wetter haben, nicht wahr? Also drückten wir uns alle vorhandenen Daumen und machten uns auf die Socken. Wie es uns erging und was wir erlebten, habe ich in einer Tour mit einigen von Posens Höhepunkten zusammengefasst!
Posens Höhepunkte
Der Marktplatz und die Altstadt
Der alte Marktplatz war mein persönlicher Favorit unter den Sehenswürdigkeiten Posens. Hier findet sich auch das hübsche Rathaus, vor dem sich jeden Tag um 12 Uhr mittags die Touristen tummeln. Dann nämlich erscheinen zwei hölzerne Ziegenböcke (Posens Wahrzeichen) aus dem Uhrwerk und stoßen mit den Hörnern aneinander.
Nun ist das ehrlich gesagt kein besonders spektakuläres Schauspiel, auch wenn es so was wie ein touristisches Muss darstellt. Um so spektakulärer dafür sind Markt, Rathaus, und das mittelalterliche Stadtzentrum, in dem man umherwandern und charmante Restaurants, hippe Bars und altertümliche Gebäude entdecken kann.
Kaum zu glauben, dass der Großteil dieser Gassen und Plätze während des zweiten Weltkriegs zerstört wurde, denn fast alles wurde hernach originalgetreu wieder aufgebaut.
Meiner Meinung nach ist dieser Teil von Posen schon allein Grund genug, die Stadt zu besuchen. Es bleibt aber bei weitem nicht der einzige! Weitere Attraktionen sind:
Das Kaiserschloss
Sagte ich, der Marktplatz sei mein Favorit? Nun, aber das Schloss ist mein anderer Favorit! …Na gut, ich habe so einige Favoriten in Posen.
Der Grund dafür, dass das Schloss so weit oben auf meiner Liste steht, ist die Begeisterung, mit der uns unser Führer die verschiedenen Partien des Komplexes zeigte.
Von außen sieht es aus wie jedes andere Schloss inmitten einer Stadt; seine Geschichte aber ist einzigartig.
Erbaut wurde es für den deutschen Kaiser Wilhelm II zwischen 1905-1910; somit ist es eines der jüngsten Schlösser Europas. Doch bereits acht Jahre nach der offiziellen Eröffnung erhielt Polen im Zuge des Ersten Weltkriegs seine Unabhängigkeit zurück.
Was sollte nun werden aus diesem übergroßen Souvenir des letzten Regimes inmitten der Stadt? Vermutlich wäre es anderswo als Symbol von Fremdherrschaft und Unterdrückung recht schnell abgerissen worden – aber nicht in Posen! Hier dachte man praktisch, und transformierte das große Gebäude kurzerhand in einen polnischen Regierungssitz.
Das ist jedoch nicht das Ende der Geschichte, denn 1939 kamen die Deutschen zurück, und nahmen unter der Leitung von Albert Speer Umbauten am Schloss vor, das nunmehr Hitler als Residenz dienen sollte. Die für ihn kreierten Räumlichkeiten sind nach wie vor zu besichtigen, auch wenn er selbst wahrscheinlich niemals Fuß in sie gesetzt hat.
Auch nach diesem Krieg und dem Abzug der Deutschen setzte sich der Posener Pragmatismus durch: weil ein Abriss zu teuer gewesen wäre, wurde aus dem Schloss in den Sechziger Jahren ein Kulturzentrum. So lassen sich denn auch zahlreiche Beiträge aus der kommunistisch geprägten Zeit Posens bestaunen, wie zum Beispiel dieses große Wandbild, das die Geschichte Posens wiedergibt.
Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, entstand das heutige Kulturzentrum. Nach wie vor kann man sich mit einer Führung durch die original restaurierten Räume über die Geschichte des Schlosses informieren, doch es handelt sich beileibe nicht um ein verstaubtes Museum.
Denn in diesem Schloss haben auch Firmen ihre Büros, Künstler präsentieren Ausstellungen; es gibt ein Kino, ein Theater… und man kann sich ein Käffchen im ehemaligen Thronsaal gönnen!
Es ist sehr beeindruckend zu sehen, wie positiv dieses Gebäude genutzt wird, wo es doch mit so vielen negativen Dingen hätte dauerhaft assoziiert werden können. Ein herzliches Dankeschön an unseren Führer Wojciech, der uns dies alles so toll vermittelt hat.
Der Soldatenfriedhof und der Zitadellenpark
Zu sagen, dass Polen turbulente Zeiten durchgemacht hat, ist noch untertrieben. Zeitweise fand man es nicht einmal auf der Weltkarte, da es entweder Preußen oder Russland zugefallen war.
All die Kriege, denen Polen ausgesetzt war, forderten viele Leben. Ein Ort, an dem man der Gefallenen in Posen gedenkt, ist der Kriegsfriedhof im Zitadellenpark. Dieser große Park liegt nördlich des Stadtzentrums und ist eine schöne Anlage, die auch als Veranstaltungsort für zum Beispiel Musikfestivals genutzt wird, und in der sich das “Museum der Armee Poznan” befindet; ein Militärmuseum mit sehr interessanten Ausstellungsstücken.
Der Kriegsfriedhof dagegen ist aus anderen Gründen sehenswert. Das Ausmaß der einzelnen Schlachten und Kämpfe, die in Posen geführt wurden, spiegelt sich wider in den immer wieder gleichen Todesdaten auf den Gräbern. Viele der hier Begrabenen kamen aus aller Welt und starben tausende von Meilen von ihrer Heimat entfernt, während sie in blutigen Schlachten unter furchtbaren Konditionen kämpften.
Vom Ersten und Zweiten Weltkrieg bis hin zum Posener Aufstand im Jahre 1956 – auf diesem Friedhof findet man die Gefallenen, und sie stammen aus aller Herren Länder: Russland, England, Kanada, Polen… und weitere. Das Studieren der Grabsteine mit ihren Namen und Daten und Nationalitäten ist vielleicht keine besonders erbauliche Tätigkeit, aber es vermittelt ein Verständnis für die Vergangenheit, wie es Bücher mit oft überwältigenden Zahlen und Fakten nicht können.
Fort VII
Und natürlich die Nazis. Im Zuge der Besetzung Polens im Dritten Reich wurde in Posen eines der ersten Konzentrationslager eingerichtet, noch im Oktober 1939, unmittelbar nach Beginn des Polenfeldzugs.
Es befand sich im Fort VII, einem der achtzehn Verteidigungsforts, die Teil einer preußischen Befestigungsanlage aus dem 19. Jahrhundert waren. Die meisten dieser Forts sind heute verfallen, und es bliebe dem Besucher einiges erspart, gelte dies auch für Fort VII.
In den Gaskammern, die sich hier befinden, wurde mit verschiedenen Vergasungsmethoden experimentiert. Diese Gaskammern sind für den Besucher von Fort VII zugänglich. Es handelt sich um fensterlose, tunnelartige Backsteinbauten mit niedriger Decke, die weitaus kleiner und beengender sind, als ich es mir vorgestellt hätte.
Ich betrat den Raum und stellte mich an die Wand gegenüber der halbgeschlossen, metallenen Tür. Panik stieg in mir auf. Es ist mir nicht möglich zu ermessen, was die Gefangenen, die hier eingeschlossen wurden, gefühlt haben müssen. Was ich weiß, ist, wie unwahrscheinlich deprimierend es war, nachzuvollziehen, dass Menschen so grausam miteinander umgehen gehen können, wenn sie sich erst dazu entschlossen haben. Und wie unglaublich gut ich es hatte, dass ich wieder durch die Tür aus der Kammer heraus ins Tageslicht treten konnte.
Man schätzt, dass hier zwischen 4.500 und 20.000 Menschen starben – und das ist noch kein Jahrhundert her! Ob die Menschheit noch mal was dazu lernt?
Wer Fort VII besuchen möchte, sollte wissen, das es zwar viele deutsche Ausstellungsstücke, aber nicht viel zusätzliche deutschsprachige Information gibt. Es ist daher anzuraten, sich im Vorhinein zu informieren, zum Beispiel hier, hier, oder hier, oder aber besser noch, sich über das Touristenbüro eine Führung zu organisieren.
Die Dominsel
Auf der Dominsel befindet sich nicht nur die erste in Polen errichtete Kathedrale; es ist auch der Ort, vom dem aus sich die Stadt Posen aus einer Siedlung heraus entwickelte. Und die Erstbesiedlung dieser Binneninsel lässt sich bis zu 12.000 Jahren zurückverfolgen!
Die Kathedrale selbst ist ein imposantes Bauwerk aus rotem Backstein und hatte zwei für uns besonders interessante Attraktionen:
Zum einen ist hier die Grabstätte der ersten Könige Polens, hinten in der goldenen Kapelle. Das sind doch mal, mit Verlaub, ein paar richtig alte Knochen!
Zum anderen kann man in der Krypta die Särge derjenigen Erzbischöfe besichtigen, die der Kathedrale jeweils vorgestanden haben. Sie finden sich in einem kleinen, dunklen Raum, der dezent Klaustrophobie induziert und vielleicht auch einen kleinen Gruselschauer, denn es handelt sich um sehr große und alte Särge – passend für Erzbischöfe eben!
Der Maltaner See
Wer nach all diesen Sehenswürdigkeiten eine Auszeit braucht, kann an dieser Stelle gut zum Maltaner See spazieren, der grade mal 10-15 Minuten Fußweg von der Dominsel entfernt ist.
Es handelt sich um einen 2 km langen See inmitten eines Parks, der aber nicht nur eine schöne Grünanlage ist, sondern zusätzlich auch mit seinen eigenen Attraktionen aufwarten kann. So finden sich hier ein Ski- und Snowboardzentrum, dessen Pisten man das ganze Jahr über nutzen kann; ein Waldseilgarten, eine Minigolf-Anlage; oder auch die Maltesischen Thermalbäder, wo wir so lange die irren Wasserrutschen ‘runterrutschten, bis leider keine Zeit mehr blieb, um das Spa auszuprobieren…
Und damit kommen wir zum Ende unserer Tour, auch wenn es noch viele, viele weitere Höhepunkte in Posen gibt, zum Beispiel das frisch gebaute Stadtschloss, das dieses Jahr eröffnet wird, oder das hippe Szeneviertel auf der anderen Seite der Brücke bei der Dominsel. Aber es ist ja auch schön, einige Sachen selber zu entdecken!
Praktisches
Anreise - Posen ist von Deutschland mit Lufthansa und Ryanair ganz einfach zu erreichen, aber auch per Zug; zum Beispiel innerhalb von drei Stunden von Berlin aus.
Übernachten – Auch hier besteht eine gute Auswahl an originellen Hostels und guten Hotels. Wir wurden für die Zeit unseres Aufenthalts in dem stylischen und zentral gelegenen NH Hotel untergebracht, das mit vier Sternen, einem leckeren Frühstück und kostenlosem (wenn auch ein bisschen langsamen) WiFi all unsere Bedürfnisse erfüllte.
Obwohl Posen generell keinen Mangel an Übernachtungsmöglichkeiten hat, lohnt es sich, im Hinterkopf zu behalten, dass in der Stadt auch regelmäßig Messen stattfinden. Wer in Hotels unterkommen will, die in diesem Zeitraum für Geschäftsreisende attraktiv sind, sollte also gegebenenfalls rechtzeitig buchen.
Essen und Trinken – Unsere exzellenten kulinarischen Erlebnisse in Posen inspirierten uns bereits zu einem eigenen Blog-Post (bisher nur auf Englisch). In diesem Städtchen finden sich die leckeren klassischen Gerichte wie Piroggen und Rote-Bete-Suppe (“Barszcz”) ebenso wie Optionen für überzeugte Feinschmecker, die das Besondere suchen.
Verdursten muss auch niemand, wobei die Biertrinker sich ganz besonders glücklich schätzen werden, denn sie haben eine immense Auswahl an unterschiedlichen Marken und Sorten, die von einem Kollektiv hochwertiger Kleinbrauereien bereit gestellt werden. Und was den Wodka angeht – da müssen wir ja nicht viele Worte machen!
Shopping – Eigentlich interessiere ich mich nicht besonders für Shopping, aber wenn der National Geographic Traveler ein Posener Einkaufszentrum als eines der Neuen Sieben Polnischen Wunder auszeichnet, verdient das doch eine Erwähnung.
Es ist auch nicht der einzige Preis, den die “Stary Browar”, die “Alte Brauerei”, erhalten hat. In dieser ehemaligen Brauerei finden sich neben jeder Menge Läden, Cafés und Restaurants auch Ausstellungsräume, eine Konzerthalle, ein Theater, ein Kino, Musik-Klubs… Die Besitzerin der “Stary Browar” wollte mindestens die Hälfte des Komplexes für Kunst und Kultur reservieren, und da dieses Unternehmen geglückt ist, empfehle selbst ich als überzeugter Nicht-Shopper gerne einen Besuch!
Fazit
Posen ist einfach toll. Mich persönlich überzeugte die Mischung aus dem klassischem Charmes einer Altstadt wie zum Beispiel der in Prag und einer coolen, hippen Atmosphäre wie in Berlin. Wobei man in Posen alles recht gut zu Fuß erreichen kann (nicht wie in Berlin) und es überhaupt nicht überlaufen ist (wie in Prag).
Also: worauf wartet Ihr noch? Macht Euch auf die Socken, bevor der Rest der Welt Posen auf die Spur kommt!
Unser Aufenthalt in Posen wurde uns von der Stadt Posen ermöglicht, die uns einlud, ihr Städtchen kennenzulernen. Dabei behalten wir uns vor, selber zu entscheiden, wie wir über unsere Erlebnisse berichten.
Dieser Post wurde von Laurence für Findingtheuniverse.com geschrieben und von Vera für Findingtheuniverse.de übersetzt.
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